Für Bankkunden ist es nichts Neues, dass Kreditinstitute gern an der Gebührenschraube drehen. Und meist wird das Bankkonto durch diverse Gebühren immer teurer. Doch dürfen Banken Ihre Gebühren einfach so erhöhen? Darüber hatte der Bundesgerichtshof zu urteilen und hat der Selbstbedienungsmentalität der Geldhäuser eine klare Absage erteilt.
In den vergangenen Jahren haben nahezu alle Banken an der Gebührenschraube gedreht und die Kontogebühren oder andere Kosten für Bankdienstleistungen erhöht. Auf diese Weise wurden aus kostenlosen Girokonten plötzlich kostenpflichtige Konten. Zuletzt haben wir über die aktuelle Gebührenerhöhung der Commerzbank berichtet.
Die Erhöhungen erfolgten alle nach dem gleichen Muster, welches Bankkunden schon lange als unfair betrachten. Die Banken teilten ihre neuen Gebührenvorstellungen einfach per Brief, E-Mail oder im Preisaushang mit. Wenn der Bankkunde nicht aktiv widersprach, wurden die neuen Gebühren berechnet.
Dass es dabei nicht um Peanuts geht, erklärt die Finanzexpertin Andrea Heyer von der Verbraucherzentrale Sachsen: „Das können für den Einzelnen schon dreistellige Beträge sein.“ Im Klartext: Die Banken waren der Meinung, dass sie von Ihren Kunden kein explizites Einverständnis benötigen, um die Gebühren zu erhöhen. Genau gegen diese Vorgehensweise hat die Verbraucherzentrale geklagt – mit Erfolg.
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände hatte in einem Musterprozess gegen die Klauseln geklagt, die Banken und Sparkassen überwiegend verwenden. Nach diesen können Banken Ihre Änderungen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen vornehmen, wenn diese dem Kunden spätestens zwei Monate vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens in Textform mitgeteilt werden. Allerdings muss der Kunde den Änderungen nicht aktiv zustimmen. Die Zustimmung des Kunden gilt nach den Vorstellungen der Banken als erteilt, wenn er seine Ablehnung nicht vor dem Wirksamwerden der Änderungen angezeigt hat.
Die Verwendung dieser Klauseln war bisher gängige Praxis, denn die Banken werteten eine ausbleibende Reaktion des Verbrauchers als Zustimmung. Dabei spielte es keine Rolle, ob der Kunde von der Änderung überhaupt Kenntnis erlangt hatte. Viele Bankkunden merkten erst bei der Berechnung höherer Gebühren, dass diese von dem Kreditinstitut erhöht wurden. Dieser Praxis schob der BGH nun einen Riegel vor.
Der Bundesgerichtshof stellte in seinem Urteil (BGH AZ.: XI ZR 26/20) fest, dass die Bankkunden durch bestimmte Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen unangemessen benachteiligt werden. Dabei ging es vor allem darum, dass die Bank mit einer fingierten Zustimmung des Kunden jede vertragliche Änderungsvereinbarung ohne inhaltliche oder gegenständliche Beschränkung anpassen kann.
Das Gericht erklärt, dass die Bank bei weitreichenden Vertragsänderungen nicht darauf setzen kann, dass ein ausbleibender Widerspruch des Kunden einer Zustimmung gleich kommt. Vielmehr muss die Bank bei weitreichenden Änderungen einen Änderungsvertrag mit expliziter Zustimmung des Kunden abschließen.
„Für so weitreichende, die Grundlagen der rechtlichen Beziehungen der Parteien betreffende Änderungen, die dem Abschluss eines neuen Vertrags gleichkommen können, ist vielmehr ein den Erfordernissen der § 305 Abs. 2, § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB genügender Änderungsvertrag notwendig.“
Auch für Änderungen von Gebühren ist laut dem Bundesgerichtshof ein Änderungsvertrag notwendig. Denn nach der bisherigen Praxis konnte die Bank ohne explizite Zustimmung des Kunden für Ihre Leistungen plötzlich deutlich mehr Geld verlangen. Damit wird die Position des Bankkunden entwertet. Nach dem aktuellen Urteil ist das nicht mehr möglich.
Das Gericht hat in dem konkreten Fall nur die Änderungen an den AGB und die Gebührenerhöhungen bei der Postbank überprüft. Dennoch dürfte das Urteil auch für Kunden anderer Kreditinstitute gelten. Da laut dem Gericht die Gebührenerhöhung durch das Stillschweigen des Kunden unzulässig war, wurden die Kosten für das Bankkonto zu Unrecht berechnet. Demzufolge können Sie die Kontogebühren zurückfordern. Wir haben mit Rechtsanwalt Christian Solmecke, Partner der Kölner Medienrechtskanzlei WILDEBEUGER SOLMECKE, ausführlich über das Thema gesprochen und folgende Fragen gestellt:
Herr Solmecke, können Bankkunden die berechneten Gebühren ihrer Bank zurückfordern, wenn sie diesen nicht ausdrücklich zugestimmt haben und für welchen Zeitraum ist das möglich?
Christian Solmecke: Meiner Auffassung nach sind nahezu alle Gebührenerhöhungen zumindest nach dem 1. Januar 2018 unwirksam und können entsprechend zurückgefordert werden. Das Recht auf Erstattung früherer Beträge ist rechtlich leider verjährt. Kunden müssen Ihr Recht auf Erstattung der Gebühren jedoch wohl explizit einfordern. Von Seiten der Banken darf hier kein Entgegenkommen erwartet werden. Diese werden nun zunächst die vollen Urteilsgründe abwarten und so lange Forderungen abblocken. Dank der Verjährungsfrist haben Kundinnen und Kunden aber auch noch Zeit. Werden Gebühren nicht erstattet, so kann man sich zudem rechtlichen Rat einholen oder sich an die Schlichtungsstellen der Banken wenden.
Besteht ein möglicher Anspruch auf Erstattung nur für Kontogebühren oder auch für andere Gebührenerhöhungen für Bankdienstleistungen wie Depot-Kosten, denen der Kunde nicht aktiv zugestimmt hat?
Solmecke: Ja. Schließlich hat der BGH über eine allgemeine Klausel zur Änderung von AGB entschieden. Sollte die eigene Bank mittels fingierter Zustimmung die Gebühren bei einem Wertpapierdepot oder auch der Kreditkarte erhöht haben, dann sind auch diese Änderungen unwirksam und können zurückgefordert werden.
Wie sollten sich Bankkunden verhalten, die gerade einen Brief ihrer Bank vorliegen haben, in der eine Gebührenerhöhung angekündigt wird, der sie nicht aktiv zustimmen müssen?
Christian Solmecke: Wenn die Bank die Gebühren erhöht, müssen Kundinnen und Kunden die Änderungen nicht akzeptieren. Reagiert man nicht, kann die Bank die Gebühren auch nicht berechnen. Aber: Kundinnen und Kunden müssen sich darauf einstellen, dass dies nicht das letzte Schreiben geblieben sein wird. Die Banken werden zunächst die vollen Urteilsgründe abwarten. Sobald diese vorliegen, ist davon auszugehen, dass die Banken neue Preiserhöhungen schicken werden. Dann aber mit der Aufforderung, dass man der Erhöhung aktiv zustimmen soll. Ohne Zustimmung werden einige Banken damit drohen, das entsprechende Konto zu kündigen. Dies ist in vielen Fällen auch möglich. Ausnahmen gelten beim Basiskonto und bei einigen Sparkassen in bestimmten Bundesländern aufgrund der dortigen Sparkassengesetze.
Gilt das aktuelle BGH-Urteil nur für Privatkunden oder auch für Geschäftskunden?
Christian Solmecke: Das aktuelle BGH-Urteil betrifft in jedem Falle alle Privatkunden. Ob es auch für Geschäftskunden gilt, ist noch unklar. Zwar gelten die Regelungen grundsätzlich auch gegenüber Geschäftskunden. Der Bundesgerichtshof (BGH) aber bezieht sich in seinem Urteil auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH). Dieser wiederum bezog sich auf die EU-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen. Dieser Umstand spricht dafür, dass das BGH-Urteil wohl nicht für Geschäftskonten Geltung erlangt. Allerdings sollten nun zunächst die vollen Urteilsgründe abgewartet werden, um diese Frage seriös beantworten zu können.
Die Direktbank ING, früher ING DiBa, hat sich dafür entschieden, die vom BGH-Urteil betroffenen Gebühren und Gebührenerhöhungen zunächst auszusetzen. Nach Prüfung und Beurteilung der Sachlage wird das Geldhaus zu einem späteren Zeitpunkt erneut auf seine Kunden zugehen und eine rechtssichere Vereinbarung abschließen. Demnach möchte die Direktbank bei allen Kunden die ihr Bankkonto vor dem 01. März 2020 eröffnet haben zunächst auf zusätzliche Gebühren verzichten. Für Girokonten, die ab dem 1. März 2020 eröffnet wurden wird das Kontoführungsentgelt weiter erhoben, sofern die Kriterien für Mindestgeldeingang bzw. Alter nicht erfüllt werden. Diese Kunden haben den Bedingungen und Konditionen direkt bei der Eröffnung zugestimmt.
Die Commerzbank möchte nach Medienberichten an geplanten Gebührenerhöhungen festhalten und plant deshalb, die Zustimmung des Kunden über das Onlinebanking per Klick einzuholen. Auf diese Weise könnte es möglicherweise zu einer rechtssicheren Vereinbarung kommen. Allerdings sollten sich Commerzbank-Kunden gut überlegen, ob sie den höheren Gebühren zustimmen. In vielen Fällen ist der Wechsel in ein anderes Kontomodell der Commerzbank günstiger, was viele Kunden nicht wissen. Bisher hat das Geldhaus verschwiegen, dass die Commerzbank ein kostenloses Girokonto im Angebot hat, wenn Sie einen monatlichen Geldeingang über 700 Euro haben.
Mit großer Wahrscheinlichkeit werden die Banken die zu viel berechneten Gebühren nicht von sich aus zurückzahlen. Jeder Verbraucher muss selbst Kontakt mit seiner Bank aufnehmen und den Anspruch geltend machen. Dafür können Sie verschiedene Musterbriefe verwenden. Es bleibt abzuwarten, wie die Bank auf diese Forderungen reagiert. Nachfolgend finden Sie eine Auswahl von Musterbriefen:
Kostenlos: Die Verbraucherzentrale Brandenburg bietet ebenfalls einen Musterbrief an, mit dem Sie unrechtmäßig berechneten Kontogebühren für das Girokonto oder ein Depot zurückfordern können. Dazu geben Sie auf der Webseite der Verbraucherzentrale grundlegende Informationen ein und können den Brief anschließend herunterladen. Sie müssen das Schreiben nur nich mit Ihren persönlichen Daten versehen und anschließend an Ihre Hausbank versenden.
Kostenlos: Die Stiftung Warentest bietet gleich zwei Musterbriefe für die Rückforderung der Kontogebühren an. Je nachdem, ob Sie den zu Unrecht bezahlten Betrag genau beziffern können oder die genaue Summe der Kontogebühren nicht kennen, können Sie das jeweils passende Schreiben verwenden. Die Bank ist dazu verpflichtet, Ihnen eine Entgeltaufstellung zuzustellen.
Kostenpflichtig: Die Rechtsanwaltskanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE bietet für 9,99 Euro ebenfalls zwei Musterschreiben und eine Ausfüllanleitung für die Rückforderung von Kontogebühren nach dem aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofs an. Über eine komfortable Eingabemaske im Internet werden zunächst alle wichtigen Daten abgefragt. Nach der Bezahlung bekommen Sie das fertige Anschreiben für den Versand.
Auch wenn Ihre Bank Ihnen die Kontogebühren erstattet, wird es für Sie wahrscheinlich nicht bei einem kostenlosen Girokonto bleiben. Vermutlich werden die Banken zeitnah ein neues Anschreiben zusenden und um Ihr Einverständnis bitten. Sind Sie nicht einverstanden, ist denkbar, dass der Vertrag mit Ihnen gekündigt wird. Sie können dem Ärger zuvorkommen, indem Sie sich bereits jetzt über unseren Girokonto-Vergleich für ein kostenloses Girokonto entscheiden.
Biallo-Tipp: Die unerwartete Rückzahlung Ihrer Bank samt dem Topzins können Sie in einen ETF anlegen und damit ausprobieren, ob Sie mit dieser Geldanlage das Guthaben noch weiter vermehren können. Kennen Sie schon das BGH-Urteil zu den Gebühren für die Bezahlung per PayPal oder Klarna?
10.06.2021: Die ausführliche Urteilsbegründung steht mittlerweile zur Verfügung und kann hier als PDF-Datei abgerufen werden.
Mike, Jahrgang 1971, ist Online-Redakteur und bringt seine Expertise bei biallo.de im Bereich Verbraucherthemen sowie in Ratgeber und Anleitungen ein. Er ist erst dann zufrieden, wenn der Leser die Lösung für sein Problem gefunden hat. Als Verkäufer, freier Autor, Unternehmer und erfolgreicher Gründer bringt er viel Erfahrung und “Internet-Geist” mit. 2016 gründete Mike das Verbraucherschutzportal onlinewarnungen.de, später verbraucherschutz.com, welches bereits 3 Jahre später zu den führenden Webseiten im Bereich Verbraucherschutz gehörte. Nach dem Verkauf des Projektes verstärkt Mike das Biallo-Team seit 2020.