Kurz vor der Bundestagswahl wirft die umstrittene Durchsuchung im Finanz- und Justizministerium immer mehr Fragen auf, keine Seite sieht gut aus. Ein Kommentar.
Armin Laschet hat lange gehadert, dass er Olaf Scholz nicht gepackt bekommt. Nun hat ihm die Staatsanwaltschaft Osnabrück, geleitet von dem gut vernetzten CDU-Mitglied Bernard Südbeck, eine Steilvorlage geliefert.
Es ist ein Justiz-Krimi, der den Wahlausgang bei dem erwartet knappen Ausgang beeinflussen kann. In der zunehmend nervösen SPD werden schon schiefe Vergleiche gezogen, nämlich zu den Ermittlungen von FBI-Chef James Comey vor der US-Wahl 2016 gegen Hillary Clinton. Die in Umfragen führende Clinton unterlag Donald Trump, später fielen die Ermittlungen in sich zusammen.
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Laschet braucht jetzt nur die Reizwörter „Razzia“ und „Geldwäsche“ zu bedienen, um das Image von Scholz als Macher zu beschädigen.
Und Laschet, der bisher viel Wert auf seinen Ruf als Versöhner legt, greift zu Falschbehauptungen, einige sagen zu Lügen. Die Durchsuchung hat sich eben nicht gegen Scholz‘ Finanzministerium gerichtet, sondern sollte helfen, mehr Beweismittel in einem Verfahren gegen Außenstehende zu bekommen, hier Beschäftigte der Financial Intelligence Unit (FIU) des Bundes. Das betont auch die FDP, die Scholz gegen Laschets Vorwürfe in Schutz nimmt.
Bei Scholz wirft der Fall aber zugleich ein Schlaglicht darauf, dass er den Bereich Geldwäsche nicht energisch genug angepackt hat. Seine Methode, nichts zu wissen, sich nicht richtig verantwortlich zu fühlen, erschüttert das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit in ihn. Auch weil sie aus anderen Zusammenhängen bekannt ist, namentlich bei den Themen Wirecard und im Skandal um die Warburg-Bank.
Scholz verteidigt sich mit Blick auf die FIU, er habe das Personal auf 500 aufstocken lassen, ein neuer Leiter sei eingesetzt worden. Aber just zu einem Zeitpunkt, da die Union aufzuholen scheint, ist das gefährlich für ihn.
Die Bürger lernen ihre Kanzlerkandidaten gerade noch einmal etwas genauer kennen, auch was ihre charakterliche und fachliche Eignung in Druck- und Krisensituationen betrifft – was auch gut ist.
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Versuchen wir den Fall zu ordnen: Die beim Zoll angesiedelte „Financial Intelligence Unit“ (FIU) hatte unter anderem Verdachtsmeldungen der N26-Bank über fragwürdige Transaktionen in Höhe von insgesamt 1,7 Millionen Euro nicht an die Staatsanwaltschaft Osnabrück weitergeleitet. In deren Bezirk liegen die entsprechenden Konten. Das wird zurückgeführt darauf, dass mangels Personals bei der FIU ein risikobasierter Ansatz verfolgt wird, also besonders verdächtige Transaktionen prioritär behandelt werden, diese scheinbar nicht. Daher geht es nun um den Vorwurf der Strafvereitelung. Das Finanzministerium hat nur die Rechtsaufsicht über die FIU.
Es gibt seit Jahren Kritik an der Arbeit der FIU. Da sich das Bundesjustiz- und das Bundesfinanzministerium über diesen risikobasierten Ansatz ausgetauscht haben, wollte die Staatsanwaltschaft Osnabrück diesen schriftlichen Austausch haben, um die FIU-Arbeitsweise und mögliche Versäumnisse besser zu verstehen.
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Aber warum wurde nicht ein förmliches Ersuchen gestellt und stattdessen zu dem sehr ungewöhnlichen Mittel einer Durchsuchung der beiden Ministerien gegriffen?
Die war letztlich gar nicht notwendig, heißt es dort, da alles, was man haben wollte, ausgehändigt wurde – letztlich fand eine Durchsuchung im eigentlichen Sinne auch gar nicht statt. Die Staatsanwaltschaft argumentiert, man habe befürchtet, die Informationen nicht ungefiltert und vollständig zu bekommen, deshalb sei man direkt mit dem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Osnabrück in den Ministerien vorstellig geworden.
Zum Problem für die Staatsanwaltschaft kann noch die Pressemitteilung zum Fall werden. In der hieß es, es solle zudem untersucht werden, ob auch die Leitung des Ministeriums in die Entscheidungen der FIU eingebunden war. Das erweckte den Eindruck, die Ermittlungen richteten sich auch direkt gegen Scholz, statt Informationen über fehlerhaftes Handeln bei FIU-Mitarbeitern zu bekommen.
Um das zu widerlegen, twitterte Scholz‘ Vertrauter, Staatssekretär Wolfgang Schmidt, Teile des Durchsuchungsbeschlusses, der die Dinge etwas anders darstellt als die Pressemitteilung und sich allein auf die FIU-Mitarbeiter bezieht.
Schmidts Twitterei wiederum ist nun auf Erwirken der Osnabrücker Ermittler Gegenstand eines eigenen Verfahrens. Der Staatssekretär hat die Affäre damit zusätzlich befeuert – und die SPD kann bisher keine Belege vorlegen, die Zweifel an der Unabhängigkeit der Justiz stützen. Schmidt muss sich zudem vorwerfen lassen, als hochdotierter verbeamteter Staatssekretär aktive Öffentlichkeitsarbeit für den SPD-Kanzlerkandidaten zu machen, was auch intern kritisch beäugt wird.
Der frühere Justizstaatssekretär in Brandenburg, Hans-Georg Kluge, selbst CDU-Mitglied, wirft aber zurecht die Frage auf, ob die mit viel Getöse kurz vor der Wahl von der Staatsanwaltschaft vorgenommenen Maßnahmen „nicht ihrerseits disziplinar untersuchungsbedürftig sind“. Bei der Behörde werden alle Vorwürfe, dass es parteipolitische Hintergründe geben könnte, bisher strikt zurückgewiesen.
Aber mit einer eigenen Untersuchung, wie genau, und auf wessen Veranlassung es zu dem Vorgehen kam, könnte die im Raum stehenden Zweifel vielleicht entkräftet werden. Olaf Scholz hätte sicher nicht gedacht, dass das größte Ungemach in diesem Wahlkampf am Ende ausgerechnet aus seiner geschätzten Geburtsstadt kommt: aus Osnabrück.