Berlin/Bundesrat. Bei schwersten Straftaten ist es künftig möglich, Strafprozesse noch einmal aufzurollen, auch wenn sie seinerzeit mit einem Freispruch rechtskräftig abgeschlossen worden waren. Dies hat der Bundestag am 24. Juni 2021 auf Vorschlag der Regierungskoalitionsfraktionen beschlossen. Der Bundesrat hat das Gesetz am 17. September 2021 durch Verzicht auf ein Vermittlungsverfahren gebilligt. Es kann nun dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung vorgelegt werden.
Voraussetzung für die Wiederaufnahme ist, dass sich aus nachträglich verfügbaren Beweismitteln die hohe Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung des oder der Freigesprochenen ergibt. Nach geltender Rechtslage ist die Wiederaufnahme zuungunsten einer rechtskräftig freigesprochenen Person ohne deren Geständnis nicht möglich, selbst wenn nachträglich neue Beweise oder Tatsachen vorliegen, die einen eindeutigen Nachweis der Täterschaft erlauben. Dies führe vor allem bei schwersten Straftaten wie Mord und Völkermord sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu unbefriedigenden Ergebnissen, heißt es in der Gesetzesbegründung.
Neue belastende Informationen könnten insbesondere dann entstehen, wenn es nach dem Freispruch neue Untersuchungsmethoden gebe – wie dies beispielsweise seit den späten 1980er-Jahren mit der Analyse von DNA-Material der Fall gewesen oder es künftig auch durch die digitale Forensik zu erwarten sei.
Neue technische Verfahren führten dazu, dass zum Zeitpunkt des betreffenden Strafverfahrens bereits vorhandene und den Ermittlungsbehörden bekannte Beweismittel neu ausgewertet werden können. Wenn diese einen sicheren Tatnachweis ermöglichten, wäre das Festhalten an der Rechtskraft des ursprünglichen Freispruchs ein unerträglicher Gerechtigkeitsverstoß, begründet der Bundestag seinen Beschluss. Bei schwersten Straftaten könnte daher ein weiteres Verfahren folgen.
Zudem verjähren zivilrechtliche Ansprüche der Opfer gegen Täterinnen oder Täter schwerster, nicht verjährbarer Verbrechen nicht mehr wie bisher nach 30 Jahren.
Das Gesetz soll bereits am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten.
In einer begleitenden Entschließung äußert der Bundesrat Bedenken gegen die vom Bundestag beschlossene Aufhebung der zivilrechtlichen Verjährung. Trotz Tod des Täters oder der Täterin könnten künftig die Erben unbegrenzt mit Ansprüchen der Opfer konfrontiert werden. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, diese Regelung nochmals zu überprüfen. Die Entschließung wurde der Bundesregierung zugeleitet. Sie entscheidet, wann sie sich mit der Länderbitte befasst.
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